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Gedenkbuch Ezra

Das Red Star Line Museum konnte eine außergewöhnliche Leihgabe in Empfang nehmen: ein Gedenkbuch, das Henri Schulsinger, Mitbegründer der jüdischen Hilfsorganisation Ezra, als Dank für die Hilfe überreicht wurde, die er jüdischen Emigranten in Antwerpen hatte zukommen lassen.

Das Buch erhält einen festen Platz in der permanenten Ausstellung des Red Star Line Museums. Es wurde dem Museum von Alexander Zanzer, Direktor von „De Centrale“ (Kgl. Vereinigung für jüdische Wohltätigkeit), ausgehändigt. 

Was macht dieses Gedenkbuch so außergewöhnlich?

Souvenir des émigrants juifs

Erinnerungen an die jüdischen Emigranten

Das Gedenkbuch zeugt davon, wie innerhalb der jüdischen Gemeinschaft Antwerpens soziale Hilfsorganisationen entstanden und wie Zehntausenden jüdischer Emigranten aus Osteuropa dabei unterstützt wurden, vor allem nach Amerika und später auch nach Palästina und den Rest der Welt auszuwandern.

Zwischen 1870 und 1914 machten sich mehr als 2 Millionen Juden aus Osteuropa auf die Reise nach Amerika. Sie verließen ihre Heimat aus politischen Gründen, aus Angst vor den Pogromen in Russland und in Österreich-Ungarn und wegen ihrer oft armseligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände. Ein Teil dieser jüdischen Auswanderer aus Osteuropa ging in Antwerpen an Bord der Ozeandampfer.

Wer Hilfe brauchte, konnte sich in Antwerpen an die Organisation Ezra wenden. „Ezra“ ist das hebräische Wort für „Hilfe“.

 

„Bürgermeister seiner Emigranten“

Henri Schulsinger wurde von den Auswanderern auf Händen getragen. 1891 hatte sich der polnische Diamantenhändler in Antwerpen niedergelassen. 1903 gründete er gemeinsam mit anderen Antwerpener Juden die Organisation Ezra. Am 15. November 1936, anlässlich seines 70. Geburtstags, wurde er in Antwerpen für die Unterstützung geehrt, die er jüdischen Emigranten hatte zukommen lassen, welche in der Scheldestadt das Schiff nach Amerika nehmen wollten.

„Wenn unser Schulsinger einmal nach Amerika reisen und dort in einer Stadt alle Auswanderer versammeln würde, die durch seine Hilfe den Boden der Vereinigten Staaten oder Südamerikas betreten haben, dann würde er als ‚Bürgermeister seine Emigranten’ ebenso geliebt und auf Händen getragen werden wie Dizengoff in Tel Aviv.“ (Meir Dizengoff war der erste Bürgermeister von Tel Aviv, Anm. d. Red.) So berichtet ein Jude in einer Zeitschrift, die durch die jüdischen Hilfsorganisation „De Centrale“ publiziert wurde.

 

Jüdisches Kulturerbe, das den 2. Weltkrieg überlebte

Das Gedenkbuch ist nicht nur von großer Bedeutung für das Red Star Line Museum, sondern auch für das jüdische Kulturerbe in Antwerpen. Es ist auch deshalb so wichtig, weil aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg nur wenige Erinnerungen an die jüdische Gemeinschaft in der Scheldestadt erhalten blieben. Das Gedenkbuch aus dem Jahr 1936 wurde von allen Menschen unterschrieben, die auf dem festlichen Geburtstagsdinner anwesend waren. Es war das letzte Bankett der jüdischen Gemeinschaft vor dem 2. Weltkrieg. Das Buch ist ein konkreter Beweis für die freiwillige und bereitwillige Unterstützung, die Antwerpener Juden hilfsbedürftigen Emigranten zukommen ließen. Kurz darauf wurden die Rollen getauscht und die Antwerpener Juden konnten jede Hilfe gebrauchen.

 

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